Rubrik: Verhaltensstörungen

Verhaltenssucht

Verhaltenssucht ist eine relativ neue Bezeichnung für exzessive Verhaltensweisen, die Merkmale einer psychischen Abhängigkeit aufweisen und von Betroffenen willentlich nicht mehr vollständig kontrolliert werden können.

Beispiele sind Arbeitssucht, Kaufsucht, Pathologisches Spielen (Glücksspielsucht), Sportsucht und Sexsucht sowie Medienabhängigkeiten (Internetabhängigkeit, Computerspielsucht, Lesesucht, Fernsehabhängigkeit, Handyabhängigkeit). Teilweise werden auch Essstörungen als Verhaltenssucht aufgefasst. Die Einordnung von Verhaltensweisen als Sucht ist in der Wissenschaft umstritten, bisher gibt es keine offiziellen Diagnosekriterien.

Physiologische Grundlagen

Laut Sabine Grüsser leiden Betroffene unter psychischen Entzugserscheinungen, wenn sie an dem von ihnen exzessiv ausgeübten bestimmten Verhalten gehindert werden. Das exzessive Verhalten stimuliere das limbische System im Gehirn, wodurch Hormone wie Endorphine ausgeschüttet werden, was als angenehm erlebt wird. Die Verhaltenssucht werde dazu benutzt, unangenehme Gefühle wie Ängste und Frustration sowie Stress zu verdrängen und die Auseinandersetzung damit zu vermeiden (vgl. auch Eskapismus). Auch dadurch ähnele eine Verhaltenssucht einer stoffgebundenen Abhängigkeit wie beispielsweise Alkoholismus.

Untersuchungen

Computersucht und Computerspielsucht

Die Interdisziplinäre Suchtforschungsgruppe der Berliner Charité hat im November 2005 eine Untersuchung angestellt, die die Parallelen der Computersucht und der Computerspielsucht zu stoffgebundenen Abhängigkeiten wie die von Alkohol oder Cannabis darstellen sollte. Dabei wurden 15 Computersüchtigen Bilder verschiedener alltäglicher Gegenstände, auch von Schnapsflaschen, einem Joint oder Zigaretten, aber auch Szenen aus den Untersuchten bekannten Computerspielen gezeigt. Mit Hilfe der Elektroenzephalografie, mit der man die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeichnen kann, wurde beobachtet, dass bei den Abhängigen eine erhöhte Gehirnaktivität bei den Screenshots auftritt. Dieselbe Gehirnaktivität tritt beispielsweise bei Alkoholabhängigen beim Anblick der Schnapsflasche auf. Die Wissenschaftler der Charité fassten so zusammen, dass sich bei Computersüchtigen ähnliche Verhaltensmuster wie bei Alkohol- oder Cannabisabhängigen aufzeigten.

Fernsehabhängigkeit

Als Fernsehabhängigkeit bezeichnet man das zwanghafte Verlangen, Fernsehen zu schauen. Umgangssprachlich weit verbreitet ist der Begriff Fernsehsucht. Fernsehabhängigkeit ist eine Medienabhängigkeit, wobei als Alleinstellungsmerkmale der passive Konsum und der fehlende soziale Aspekt genannt werden müssen. Es existieren derzeit keine allgemein akzeptierten Diagnosekriterien zur Feststellung der Abhängigkeit.

Merkmale einer Fernsehabhängigkeit können sein:

Stand der Forschung und Anerkennung als Sucht/Krankheit

Verhaltenssüchte wurden bisher weder in der ICD-10 noch im DSM-IV aufgenommen. Derzeit behilft man sich in der Wissenschaft mit der Klassifikation als Störung der Impulskontrolle. Diese Einordnung ist allerdings oftmals nicht korrekt, da dadurch weder eine möglicherweise vorhandene Toleranzentwicklung, noch eventuell entstehenden Entzugssymptome erfasst werden.

Die American Medical Association traf sich im Juni 2007, um dieses Thema zu diskutieren. Exemplarisch für den Bereich der Computerspiel-Sucht wurde als Ergebnis festgehalten, dass weitere Forschung notwendig sei, um Computerspiel-Sucht (und damit auch andere Medienabhängigkeiten) als eine formale Diagnose zu betrachten. Die American Psychiatric Association (APA) wurde aufgefordert zu untersuchen, ob die Diagnose für eine Aufnahme in den DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) geeignet sei. Frühestens bei der nächsten Revision des DSM im Jahr 2012 könnten damit Verhaltenssüchte in das Diagnosesystem einziehen.

Einzelnachweise

Literatur

Weblinks