Rubrik: Psychopharmaka

Fluoxetin

Fluoxetin ist ein gegen Depressionen eingesetzter Arzneistoff (Antidepressivum). Er zählt zur Klasse der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). 1975 wurde dem Pharmakonzern Lilly ein Patent für Fluoxetin erteilt.

Es war nach Zimelidin der zweite Arzneistoff der Antidepressiva-Generation der SSRI und sorgte in den ersten Jahren nach seiner Markteinführung (USA 1988 unter dem Handelsnamen Prozac / Deutschland 1990) für Aufmerksamkeit. Seither gab es über 54 Millionen Verschreibungen. Fluoxetin ist die weltweit am dritthäufigsten eingenommene antidepressive Substanz und steht teilweise bereits im Ruf, eine Modedroge zu sein. Neuere Untersuchungen belegen, dass Fluoxetin (und wahrscheinlich auch andere Substanzen derselben Klasse) auch das Sozialverhalten beeinflusst ? es scheint harmoniebedürftiger zu machen und auch Moralvorstellungen zu beeinflussen.

Pharmakologie

Indikationen

Fluoxetin wird zur Behandlung von Depressionen, Zwangsstörungen und Bulimie ? als Ergänzung zu einer Psychotherapie zur Reduktion von Essattacken und selbstinduziertem Erbrechen ? eingesetzt. Die Dosis sollte innerhalb von drei bis vier Wochen nach Behandlungsbeginn und danach, wenn es klinisch angezeigt ist, überprüft und, falls erforderlich, angepasst werden.

Kontraindikationen

Fluoxetin sollte bei Zuständen mit abnorm überhöhter Stimmungslage, sogenannten akuten manischen Zuständen, nicht angewendet werden.

Fluoxetin darf nicht gemeinsam mit gewissen Arzneimitteln gegen Depression oder die Parkinson?sche Krankheit (sogenannte MAO-Hemmer) genommen werden, weil sonst sehr schwere (oder sogar tödliche) Nebenwirkungen auftreten können.

Patienten dürfen Fluoxetin frühestens 14 Tage nach Beendigung einer Behandlung mit einem irreversiblen MAO-Hemmer resp. 1 Tag nach Beendigung einer Behandlung mit einem reversiblen MAO-Hemmer einnehmen. Auch müssen Patienten nach dem Absetzen von Fluoxetin mindestens 5 Wochen warten, bevor Sie einen MAO-Hemmer einnehmen. Die Umstellung von Fluoxetin auf einen MAO-Hemmer und umgekehrt darf nur unter sorgfältiger ärztlicher Kontrolle erfolgen.

Wirkungsmechanismus

Neben der Hauptwirkung, der Hemmung der Aufnahme von Serotonin aus dem synaptischen Spalt, besitzt Fluoxetin direkte Wirkungen an den Serotonin-Rezeptoren 5-HT2C des Zentralnervensystems. In hohen Dosen kann Fluoxetin auch die Wiederaufnahme von Noradrenalin hemmen. Seine hemmende Wirkung auf Arzneistoff abbauende Enzymsysteme, wie CYP 2D6 und CYP 3A4, wird mit zahlreichen Arzneimittelwechselwirkungen in Verbindung gebracht. Fluoxetin hat eine relativ lange Halbwertszeit von etwa 4 bis 6 Tagen und sein aktiver Metabolit (Norfluoxetin) etwa 4 bis 16 Tage. Dadurch verbleibt nach dem Absetzen noch über mehrere Wochen wirksame Substanz im Körper, die bei Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln berücksichtigt werden muss. Seit einiger Zeit ist in den USA Prozac weekly auf dem Markt, das 90 mg statt 20 mg Fluoxetin enthält, so dass Prozac weekly nur einmal in der Woche eingenommen werden muss. Absetzerscheinungen sind so jedoch auch relativ selten im Vergleich zu anderen SSRIs wie Paroxetin.

Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen, die mit Fluoxetin in Verbindung gebracht werden, zählen laut Herstellerangaben: Übelkeit (22 % der mit Fluoxetin behandelten Patienten klagten über Übelkeit, jedoch nur 9 % der Placebokontrollgruppe), Schlaflosigkeit (19 % der mit dem Verum behandelten Patienten litten unter Schlaflosigkeit, im Gegensatz zu 10 % der Kontrollgruppe), Müdigkeit (Diese verspürten 12 % der Verumpatienten ? nur 5 % der Placebokontrollgruppe), Anorexie (10 % der mit Fluoxetin behandelten Patienten litten unter Appetitlosigkeit, jedoch nur 3 % der Kontrollgruppe), Angst (12 % der Verumgruppe verspürten Angstgefühle gegen 6 % der Placebokontrollgruppe), Nervosität (Diese Nebenwirkung trat bei 13 % der mit Fluoxetin behandelten Personen auf, sowie bei 8 % der Placebogruppe), Asthenie (11 % der Verumpatienten klagten über Muskelschwäche gegen 6 % der Placebokontrollgruppe), Tremor (Bei 9 % der Fluoxetinpatienten trat diese Nebenwirkung auf, jedoch nur bei 2 % der Kontrollgruppe). Jene Nebenwirkungen, die Hauptgründe für eine Unterbrechung der Behandlung mit Fluoxetin waren, sind Angstzustände, Schlaflosigkeit und Nervosität, sowie Manie bei pädiatrischen Studien. Eli Lilly. 21. Juni 2007. [1], abgerufen am 9. Januar 2008.

Ähnlich wie bei anderen SSRIs ist sexuelle Dysfunktion ? einschließlich Anorgasmie und verminderter Libido eine häufige Nebenwirkung. Zusätzlich können teils schwere Ausschläge und Nesselsucht auftreten (7 % der Probanden), was bei einem Drittel der Betroffenen zu einem vorzeitigen Abbruch der Behandlung führte. Eli Lilly. 21. Juni 2007. [2], abgerufen am 9. Januar 2008

Akathisie (innere Unruhe und Unfähigkeit still in einer Position zu verharren) ist ebenfalls eine eher häufige Nebenwirkung. Akathisie setzt üblicherweise unmittelbar nach Beginn der Therapie ein (oder auch bei einem Erhöhen der Dosis) und verschwindet meist nachdem die Behandlung beendet oder die Dosis herabgesetzt wurde. Propranolol lindert gegebenenfalls auch die Symptome.

Wechselwirkungen

In Kombination mit Johanniskraut kann es zu einer Zunahme von serotonergen Wirkungen und dem sogenannten Serotoninsyndrom kommen. Fluoxetin ist ein Inhibitor zahlreicher Arzneistoff-abbauender Enzyme wie v.a. CYP2D6 und CYP2C9/19. Dadurch kann es z.B. die Plasmakonzentration von Carbamazepin erhöhen, was zu unerwünschten Wirkungen führen kann. Bei Kombination mit Alprazolam ist besondere Vorsicht geboten. Fluoxetin verlangsamt den Abbau von Diazepam.

Chemie

Stereochemie

Fluoxetin ist ein chiraler Arzneistoff mit einem Stereozentrum. Das wirksame Isomer (Eutomer) ist das (R)-Fluoxetin. Therapeutisch wird das Racemat, die 1:1-Mischung des (S)- und des (R)-Isomeren, eingesetzt.

Synthese

Es sind mehrere vielstufige Synthesen für Fluoxetin (Racemat) sowie die gezielte Gewinnung von (R)- bzw. (S)-Fluxocetin in der Literatur beschrieben.

Die zuerst beschriebene Synthese ausgehend von β-Dimethylaminopropiophenon und p-Trifluormethylphenol führt zu razemischen Fluoxetin. Dabei wird β-Dimethylaminopropiophenon mit Diboran reduziert und mit Thionylchlorid zu N,N-Dimethyl-3-chlor-3-phenylpropylamin und anschließend mit p-Trifluormethylphenol zu N,N-Dimethyl-3-(4-trifluormethylphenoxy)-3-phenylpropylamin umgesetzt. Dieses Reaktionsprodukt wird mit N-Methylcyanamid in einer Rosenmund-von Braun-Reaktion zu N-Methyl-N-cyano-3-(4-trifluormethylphenoxy)-3-phenylpropylamin umgesetzt. Die so eingefügte Cyanamidgruppe wird in einem stark alkalischen Medium verseift, wobei das Reaktionsprodukt Fluoxetin entsteht.

Geschichte

Fluoxetin wurde von Lilly entwickelt und 1987 als der weltweit angeblich erste SSRI am Markt eingeführt. Diese Behauptung wurde später zurückgenommen, da tatsächlich Zimelidin der erste SSRI auf dem Markt war. Der Hersteller erwirtschaftete damit große Umsätze, starke Verbreitung findet es unter anderem in den USA und in Großbritannien. In den USA wird die Zahl der Fluoxetin-Konsumenten auf 20 Millionen geschätzt. Es wurde dort nach der Einführung 1987 als Wundermittel gefeiert und galt wegen seiner antriebssteigernden Wirkung als Yuppie-Droge.

Handelsnamen

;Monopräparate Felicium (A), Floccin (A), Fluctin (D), Fluctine (A, CH), Fluocim (CH), Fluoxifar (CH), Fluxet (D), Mutan (A), NuFluo (A), Positivum (A), Prozac (GB, USA), zahlreiche Generika (D, A, CH)

Literatur

Weblinks